WohnHaft
Wohnen als Technologie der Normalisierung
von Jürgen Mümken
„Während des Prozesses der Industrialisierung verschlechterten sich die Lebens- und Wohnverhältnisse der unteren Klassen zunehmend. Diese besaßen eine ungeheure soziale Sprengkraft; um sie abzufedern, beschäftigte sich die bürgerliche Sozialreform mit der „ArbeiterInnenwohnungsfrage“. Mit der Entdeckung der „Wohnungsnot“ und deren Institutionalisierung schufen sich Staat, Kirche und Kapital ein manipulierbares Spielfeld sozialer Fürsorge. Die Wohnung, der Ort der Reproduktion der Arbeitskraft, wurde zum Spielball bürgerlicher Sozialreform. […] Innerhalb der Wohnungspolitik ging es aber nie nur darum, benötigten Wohnraum zu schaffen, sondern vielmehr darum, wie die Menschen zu Wohnen zu haben. Der konservativ-bürgerliche Sozialreformer Victor A. Huber schreibt 1857 über die Wohnungszustände der unteren Klasse, „dass sie in unzähligen, ja in den meisten Fällen die Hauptursache des sittlichen und leiblichen Verderbens von hunderttausenden von Familien und eben dadurch eine Quelle zunehmender Nachteile unter Umständen Gefahren für das Ganze, für das Gemeinwesen werden müssen“.“